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Kombinatorische Materialforschung und Hochdurchsatzmethoden

Neue Werkstoffe werden benötigt, um zukünftige technologische Entwicklungen in Bereichen wie nachhaltige Energietechnologien und energieeffiziente Prozesse zu ermöglichen. Ein Trend bei neuen Werkstoffen ist, dass ihre chemische Komplexität zunimmt, d.h. die Werkstoffe sind multinär und bestehen oft aus mehr als 10 Elementen, z.B.Superlegierungen und sogenannte Hochentropie-Legierungen. Allerdings ist die Anzahl der möglichen Elementkombinationen in Mehrstoffsystemen nahezu unbegrenzt. Daher bedarf es effizienter Forschungsstrategien und der gleichzeitigen Herstellung kompletter Werkstoffsysteme oder zumindest großer Zusammensetzungsbereichen von Mehrkomponentensystemen. Dies ermöglicht die kombinatorische Materialforschung durch Herstellung von Materialbibliotheken und deren Hochdurchsatz-Charakterisierung.


Materialbibliotheken / Hochdurchsatzcharakterisierung

Die kombinatorische Materialforschung entwickelt und nutzt fortschrittliche Verfahren zur effizienten Entdeckung und Weiterentwicklung neuer Materialien. Es werden durch kombinatorische Beschichtungsmethoden sogenannte Materialbibliotheken hergestellt. Diese werden in einem Experiment unter identischen Bedingungen hergestellt und beinhalten pro Materialbibliothek mehrere hunderte bis tausende Materialien. Die Materialbibliotheken werden mit geeigneten Hochdurchsatz-Charakterisierungsmethoden automatisiert untersucht. Daraus entstehen multidimensionale Datensätze die in Form von Zusammensetzungs-Processing-Struktur-Eigenschaftskarten visualisiert werden.

Materialbibliotheken können durch kombinatorische Magnetron-Sputterprozesse hergestellt werden. Sputtern ist ein vielseitiges Verfahren, das auch in der Industrie häufig eingesetzt wird. Daher können Erkenntnisse aus dem Screening von Materialbibliotheken auf industrielle Anwendungen übertragen werden. Die wichtigsten Methoden zur Herstellung von Materialbibliotheken mit wohldefinierten Zusammensetzungsgradienten sind die Ko-Deposition und die Viellagen-Deposition von keilförmigen Schichten. Bei der Ko-Deposition werden mindestens zwei Sputterquellen gleichzeitig eingesetzt, die beide auf das zu beschichtende Substrat zielen. In einer unserer Ko-Depositionsanlagen  können bis zu fünf Quellen gleichzeitig betrieben werden. Der Ko-Depositionsprozess führt zu einer atomaren Durchmischung der abgeschiedenen Schicht. Diese Methode eignet sich besonders für die Herstellung metastabiler Materialien. Die Herstellung kompletter Materialsysteme, die einen Zusammensetzungsbereich von 0 bis 100 at.% abdecken, ist mit der Co-Abscheidung jedoch nicht möglich. Vollständige ternäre Systeme werden folgendermaßen hergestellt: nanoskalige keilförmige Schichten werden abgeschieden, die um 120° zueinander orientiert sind. Die Phasenbildung wird durch Glühen bei geeigneten Temperaturen nach der Abscheidung erreicht. Die Dicke der Schichtbibliotheken liegt im Bereich von mehreren hundert Nanometern, um Hochdurchsatz-Charakterisierungsmethoden zu ermöglichen und um nanoskalige Effekte zu vermeiden (falls diese nicht Gegenstand der Forschung sind).

Herstellung von Materialbibliotheken: Keilförmige Viellagenschichten
Kombinatorisches Sputtersystem

Kombinatorisches Ultrahochvakuum-Magnetron-Sputtersystem zur Herstellung binärer, ternärer und quaternärer Dünnschicht-Materialbibliotheken durch Kombination von nanoskaligen, keilförmigen Schichten.

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Herstellung von Materialbibliotheken: Ko-Deposition
Kombinatorisches Sputtersystem

Ko-Deposition bedeutet gleichzeitiges Beschichten aus mehreren Beschichtungsquellen und führt zu einer atomaren Durchmischung der Bestandteile einer Materialbibliothek.

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Materialinformatik

Durch die automatisierte Hochdurchsatz-Charakterisierung von Materialbibliotheken entstehen große multidimensionale Datensätze, die nur noch mit Hilfe von Computerprogrammen gehandhabt und analysiert werden können. Wir beschäftigen uns damit, Methoden des maschinellen Lernens auf die experimentelle Materialwissenschaft, insbesondere in der kombinatorischen Materialforschung, anzuwenden. Als Basis dafür hat der Lehrstuhl ein spezifisches Forschungsdatenmanagementsystem aufgebaut, in dem alle Daten aus den Hochdurchsatzexperimenten eingehen. Visualisierung multidimensionaler Daten. Automatisierte Datenauswertung. Mithilfe von KI-Assistenten (spezialisierte Software die Künstliche Intelligenz nutzt, um spezifische Aufgaben zu lösen).


Mikro- / Nanotechnik

Der Lehrstuhl nutzt Methoden der Mikrosystemtechnik und Nanotechnologie, um neue Werkstoffe zu entwickeln. Dabei kommen Fertigungsverfahren der Mikrosystemtechnik wie Photolithographie, Beschichtungs- und Ätzverfahren für die Herstellung von Mikrosystemen für die Materialforschung zum Einsatz.

  • Entwicklung und Anwendung von Mikro-Heizplatten, Elektrodenarrays und Biegebalkenarrays in der Materialwissenschaft
  • Entwicklung von Mikroaktoren auf Basis dünner Formgedächtnisschichten
Nanostrukturen und Nanomaterialien
  • Nanoskalige Dünnschichten
  • Herstellung nanoskaliger Dünnfilmobjekte mit Top-Down- und Bottum-Up-Ansätzen
  • Entwicklung neuartiger Nanoverbundwerkstoffe mit Sensor- und Schutzmechanismen